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Im Ausland günstig Software-Innovationen entwickeln lassen - aber wo?

Das Spannungsfeld aus Leistungsfähigkeit und Kosten

Es ist lange kein Geheimnis mehr. Führende Wirtschaftsnationen bauen auf Software als Kernkompetenz in der strategischen Aufstellung ihrer Wirtschaftspolitik. Die Zeiten von Eisen und Kohle, Maschinen und Autos und Chemie sind gezählt. Der nächste Wirtschaftszyklus baut auf Software.

 

Kein Wunder, dass Wagniskapitalgeber ihr Geld vornehmlich in Software investieren. Ist die Software einmal entwickelt und erfolgreich an den Markt gebracht, skaliert das Geschäft unglaublich schnell. Es bedarf keiner Fabriken, keiner ausgefeilten Logistik und dank Cloud-Infrastruktur meinst nicht mal mehr ausgesprochen anspruchsvolle Hardwareinfrastruktur beim Kunden.

 

Auch die meisten Start-ups bauen entweder auf innovative Geschäftsmodelle (wie zB B2B-Plattformen) oder auf innovative Softwarelösungen. Auch viele größere Konzerne versuchen sich in diesem Umfeld, scheitern aber meistens. Meistens lässt sich das recht einfach auf drei einfache Gründe reduzieren:

  • Immer alles selber intern machen wollen (d.h. wenig externe Kompetenz, wenig Partnerschaften, ...)
  • Zu hohe Kosten und damit meinst keine Rentabilität auf kurze bis mittlere Sicht
  • Fokussierung auf "alte Wertversprechen" an den Kunden

Start-ups operieren konsequent anders. Sie suchen die schnelle und kostengünstige Marktvalidierung bei der Entwicklung von Softwarelösungen.

 

Ich kann hier zwei Kategorien an Software-Startups ausmachen. Die erste Gruppe startet als Arbeitsgruppe aus Forschungsinstituten. Diese Unternehmen neigen zu wissenschaftlicher Perfektion, Eigenbrötlerei und Entwicklungen, die am Markt vorbei gehen. Meistens werden die Unternehmen von Technikern geführt. Die zweite Gruppe sind die klassischen Garagenstartups, in denen sich eine Gruppe von Menschen zusammen tut, um eine Idee aus einer Marktanforderung heraus zu entwickeln.

 

Meinstens bringt die zweite Gruppe bereits ein paar Jahre Berufserfahrung und etwas eigenes Kapital mit. Wie das Kapital eingesetzt wird, ist dabei die Kernfrage. Dabei gilt es so schnell wie möglich, das bestmögliche Ergebnis mit einem überschaubaren Kapitaleinsatz zu erreichen, um die Entwicklung als MVP am Markt zu testen.

Internationales Sourcing der Software-Entwicklung

Mittlerweile gehen viele Unternehmer, die Lösungen für High-Value Märkte wie Deutschland, die USA oder Japan entwickeln wollen, für die Entwicklung des MVP ins Ausland. Portugal hat sich beispielsweise als Hotspot einer Software-Startup Szene etabliert. Es gibt offensichtlich schlimmeres als ein Unicorn zu entwickeln, während man mit einem Cappucchino auf's Meer blickt.

 

Ich habe mich gefragt: Hätte ich ein beschränktes Budget - wo würde ich Software entwickeln lassen? So sehr der Gedanke an das Gründen am Meer verlockt, so schnell habe ich mich aber auch wieder auf rationale Argumente rückbesonnen.

 

Es erscheint mir, als wäre die Kernfrage folgende: So günstig wie möglich wird wahrscheinlich nicht zielführend sein. Denn Qualität hat in der Regel auch ihren Preis. Aber wie kann man für sich das Gleichgewicht aus Qualität und Kosten finden?

 

Softwareentwicklung ist eine Kunst und erfordert sowohl logisches Grundverständnis, mathematisches Handwerkszeug und ein feines Gespür für moderne Technologien, denn nirgends wandelt sich die technologische Basis so schnell, wie in der Softwareentwicklung. Dieses Dreieck zu beherrschen erscheint mir die Kernkompetenz eines Softwareentwickler zu sein.

Metriken für die Bewertung

Auf der Suche nach geeigneten Metriken, habe ich mich für die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit von Ländern in drei Kerndisziplinen entschieden:

  • H-Index der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit in der Domäne Computer Science
  • H-Index der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit in der Domäne Engineering
  • H-Index der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit in der Domäne Mathematik

Die zugrundeliegende Überlegung ist folgende: Hohe Investitionen in Wissenschaft färben meist indirekt auf die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung ab. Auch wenn der H-Index vor allem Wissenschaftler eines Landes bewertet, so bilden in der Regel diese Wissenschaftler die Akademiker des Landes aus. Als Metrik dafür, wie kompetent die Absolventen eines Landes sind, erscheint mir das eine plaubsikle Metrik zu sein. Eine gute Quelle für Daten zur wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes ist das SJR Country Ranking.

 

Ich habe unten eine Liste an potenziellen Outsourcingländern erstellt aus denen die einzelnen Werte ersichtlich werden.

 

  H-Index Computer Science H-Index Engineering
H-Index Mathematics Durchschnittlicher H-Wert
Bangladesch 57 88 46 63,7
China 420 535 318 424,3
Deutschland 457 513 374 448,0
Ägypten 110 153 109 124,0
Indien 248 318 195 253,7
Iran 164 202 151 172,3
Israel  315 226 226 255,7
Italien 337 393 271 333,7
Pakistan 97 126 93 105,3
Polen 166 196 159 173,7
Portugal 190 218 160 189,3
Rumänien 104 143 103 116,7
Russland 141 211 165 172,3
Saudi-Arabien 136 192 126 151,3
Slowakei 80 108 89 92,3

Es wird deutlich, dass die Industrieländer noch immer den größten Output an wissenschaftlichen Veröffentlichungen und wissenschaftlicher Qualität erzeugen. Aber auch einige Schwellenländer wie Indien, Israel oder auch der Iran erzeugen eine hohe Qualität an wissenschaftlichen Arbeiten.

Quanta costa?

Die Daten zur wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit habe ich dem durchschnittlichen Einkommen eines Software-Entwicklers in dem jeweiligen Land gegenübergestellt. Die Quelle ist dabei das Average Salery Survey. Daraus ergibt sich das unten gezeigte Diagramm.

Gehalt eines Softwareentwickler in einem Land gegeüber der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit in diesem Land
Gehalt eines Softwareentwickler in einem Land gegeüber der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit in diesem Land

Die hohe wissenschaftlich-technische Leistungsfähigkeit Deutschlands lässt sich nicht bestreiteten. Die Frage ist ja: Wo lässt sich als Startup ein besseres Preis-Leistungsverhältnis für Software-Entwicklung einkaufen?

 

Ich habe eine Gerade vom Nullpunkt bis zum Datenpunkt von Deutschland eingeführt. Länder die unter diesen Graphen fallen, sollten ein geringes Preis-/Leisungsverhältnis aufweisen als Deutschland. Länder über dem Graphen weisen ein entsprechend besseres Verhältnis auf.

 

Interessant finde ich das niedrige Verhältnis bei Israel, obwohl das Land seit einigen Jahren als Hotspot der Startup-Szene gehandelt wird. Dies scheint allerdings auf Merkmale (z.B. Finanzierungsinstrumente, Kreativität, Geschäftssinn, ...) zurückzugehen, die von unserer Metrik nicht erfasst werden. Im Grunde sind diese Faktoren für ein Outsourcing auch irrelevant, dort zählt vor allem das Fähigkeits- zu Preisverhältnis.

 

In China und Italien würde sich dem Digramm nach eine sehr hohe Kompetenz mit reduzierten Kosten gegenüber Deutschland paaren. Das es den Chinesen auch nicht an Innovationsgeist und Kreativität mangelt, stellen sie gerade an mehreren Fronten unter Beweis. Indien und China liegen quasi auf einer parallelen Gerade zu unserer Deutschlandgerade.

 

Portugal liegt unter der Gerade, entspricht aber in etwa den Preis-/Leistungsverhältnis von Deutschland. Interessant finde ich die hohe relative wissenschaftliche Leistungsfähigkeit des Iran. Das Land ist bei weitem nicht so offen als Wirtschaftsstandort, wie es andere Ländern sind. Aufgrund seiner niedrigen Löhne behaauptet sich das Land aber gut im "Value for Money" Vergleich.

 

Indien erscheint mir aber aufgrund des Kosten zu Leistungsfähigkeitsverhälntnis ein ideales Land für Software Outsourcing zu sein. Ein großer Vorteil gegenüber China ist sicherlich die niedrigere Sprachbarriere. Es ist wohl keine Überraschung, dass viele Konzerne ebenfalls auf Indien setzen.

Braucht man überhaupt Spitzenleistung?

Wer Innovationen entwickelt, ist sicher auf Kreativität, technisches Tiefen Know How und exzellente Umsetzung angewiesen. Ein Großteil von Neuentwicklungen sind allerdings "Get shit done"-artige Aufgaben. Diese sehr routinierten und weitläufig verfügbaren Kompetenzen muss man sich nicht in Deutschland für die hier gezeigten Spitzenlöhne entwickeln lassen. Datenbankentwicklung, Phythonskripts, VBA, Homepagedesign.  Braucht es dafür wirklich Spitzenforschung? Ich glaube nicht.

 

Es lohnt sich also mit seinen Ressourcen sparsam umzugehen. Den grob gesagt kriegt man beim Outsourcing für den Preis eines deutschen Entwicklers zwei portugiesische oder drei indische. Kann der deutsche Entwickler wirklich doppelt oder dreifach so gut sein wie sein Gegenspieler in Portugal oder Indien.

 

Oder im Sinne eines Startups gefragt: Kann man nicht mit drei Entwicklern in Indien dreimal so schnell sein wie ein Startup mit einem deutschen Entwickler und dem gleichen Budget?

Über mich

Moritz Schulz
Mitarbeiter in der Fraunhofer Gesellschaft und Technik-Blogger seit 2012.

 

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Beratung zu Digitalisierung & Entwicklung im Maschinenbau